INHALTSVERZEICHNIS
Lederherstellung: Kunstvoll veredelte Natur. Leder ist heute mehr als nur ein Material. Während es früher keinen Ersatzstoff für die Häute von Tieren gab, entscheiden sich viele Menschen heute ganz bewusst für echtes Leder. Bei Schuhen oder Gürteln gilt Leder fast schon als Muss. Kleidung aus echtem Leder gefällt und ist gut angesehen. Und ein lederbezogenes Sofa gilt als Inbegriff gehobener Wohnkultur. Leder ist ein Kulturgut.
Was ist es, was Leder für uns so faszinierend macht?
Von Natur aus perfekt? Eine kostspielige Rarität!
Die Qualität und das Aussehen eines Leders hängt stark von der fachkundigen Ausführung eines komplexen Bearbeitungsprozesses ab, den wir weiter unten noch näher kennenlernen werden. Daneben spielt aber ein anderer Faktor eine wesentliche, vielleicht sogar die entscheidende Rolle: Die natürliche Schönheit des gewachsenen Naturmaterials! Denn keine Haut gleicht exakt einer anderen. Selbst wenn zwei Rinder von denselben Eltern stammen und ihr Leben auf derselben Weide verbracht haben, werden ihre Häute sich nicht vollkommen gleichen.
Diese naturgegebene Individualität jeder Haut ist es auch, die das Material Leder zu etwas ganz Besonderem macht. Darin liegt zugleich eine der größten Herausforderungen für die Lederherstellung. Denn eben weil jede Haut anders ist, muss das Rohmaterial Stück für Stück verlesen werden. Dafür braucht es die Hand und das Auge des Fachmanns. Nur er erkennt, welche Haut einen so perfekt gewachsenen Narben (= die sichtbare Oberfläche des Leders) aufweist, dass sie sich für hochwertigstes Leder eignet.

Photo: Photolifestyle / ADOBESTOCK
Und nur der Fachmann erkennt, welche Häute sich ähnlich genug sind, um später zu einem Sofa verarbeitet zu werden. Denn für ein dreisitziges Sofa benötigt man ca. 6 Rinderhäute. Diese sollen am Ende zusammen eine möglichst harmonische Oberfläche ergeben.
Fachkundige Selektion der Häute für die Weiterverarbeitung ist also entscheidend – und beeinflusst sowohl Qualität als auch Preis des Endproduktes ganz wesentlich!
Natürliche Haut – kunstvolles Leder
Leder wird gerne als Naturprodukt bezeichnet. Verständlich, denn schließlich besteht es aus der natürlichen Haut von Tieren. Während für Schuhe, Gürtel, Taschen und Bekleidung auch Häute von Schafen, Schweinen oder Ziegen verwendet werden, sind es für den Möbelbereich nahezu ausschließlich die Häute von Rindern. Aber keine Sorge: Das Rind verliert nicht für ein Sofa sein Leben! Geschlachtet wird das Tier nämlich in aller Regel wegen seines Fleisches. Die Haut ist quasi ein Abfallprodukt, für das es dank der Kunst des Gerbers eine gute Nutzungsmöglichkeit gibt. So muss das Rohmaterial nicht verschwendet werden.
Die wortwörtlich „naturbelassene“ Haut von Tieren würde heute aber ganz gewiss niemand dauerhaft an oder um sich haben wollen. Ohne Gerbung wäre das Material schlicht nicht haltbar, es würde sich zersetzen (genauer gesagt verwesen), schon bei relativ geringer Beanspruchung reißen und sähe auch längst nicht so schön aus, wie der Leder-Fan es sich wünscht. Erst die Kunst des Gerbers macht aus den rohen Tierhäuten das begehrenswerte, edle Material Leder. Aber worin genau besteht nun diese Kunst?
Gerben, färben, zurichten – die Lederherstellung ist ein komplexer Prozess
Die Kunst der Lederherstellung besteht darin, den naturgewachsenen, verderblichen Rohstoff Haut in eine haltbare Substanz zu verwandeln, die bestimmte, vom jeweiligen Verwendungszweck abhängende Eigenschaften aufweist.
Für die Verwendung als Polsterleder geht es dabei um Eigenschaften wie Wasserfestigkeit, Stabilität, Robustheit, Lichtbeständigkeit, Farbechtheit, aber auch Hautfreundlichkeit, Atmungsaktivität, Weichheit und angenehme Haptik. Hinzu kommen nicht zuletzt unterschiedlichste optisch-ästhetische Eigenschaften: mal soll das Leder kernig-kräftig und möglichst natürlich aussehen, mal besonders fein, elegant und gleichmäßig. Um dies zu erreichen, sind eine Vielzahl von Arbeitsschritten notwendig, die sich in die Vorbereitung der Haut, das eigentliche Gerben der Haut zu Leder und die nachfolgende Veredlung des Leders einteilen lassen. Im Detail kann dieser Prozess sehr unterschiedlich aussehen, denn er hängt stark davon ab, welche Lederart hergestellt werden soll.
Geht Gerben auch „sauber“?
Von Alters her galt das Gerben von Leder als schmutziges Geschäft. Die Arbeit mit der Haut toter Tiere brachte erhebliche hygienische Probleme mit sich. Die als Gerbstoffe, Gerbhilfen oder Farben eingesetzten Substanzen machten die Sache oftmals noch schlimmer. Die Rauchgerbung über Holzfeuer ist die älteste Methode der Haltbarmachung von Häuten, und schon sie hinterließ im Leder Formaldehyd-Rückstände, von denen die Menschen damals zwar nichts wussten, deren hautreizende Wirkung sie aber am eigenen Leib erfuhren. Man half sich mit mehrfachem Waschen und Trocknen der gegerbten Häute.
Der Einsatz „aggressiver“, also wirkungsvoller Substanzen ist auch heute fürs Gerben unerlässlich. Denn der eigentliche Gerbvorgang besteht in einer chemisch-physikalischen Reaktion, die durch die Zuführung des gerbenden Stoffes und weiterer Hilfstoffe ausgelöst werden muss. Sie führt dazu, dass der gerbende Stoff tief in die Haut eindringt und dort eine dauerhafte Bindung mit dem in der Haut vorhandenen Eiweiß (Kollagen) eingeht. Dadurch wird die rohe, verderbliche Hautfaser in eine neue, haltbare und strapazierfähige Faser umgewandelt, das Leder.
Um diese Umwandlung zu erreichen, werden heute Pflanzen (= vegetabile Gerbung), Mineralien bzw. Metalle (insb. Chromsalze) und synthetisch hergestellte Stoffe verwendet. Vegetabile Gerbung wird oftmals als das sauberste und umweltfreundlichste Verfahren dargestellt. Allerdings hat man im Mittelalter, wo überwiegend mit Pflanzen gegerbt wurde, die Gerbereien gleichwohl stets am flussabwärts liegenden Stadtrand angesiedelt, damit das eingeleitete Abwasser möglichst schnell aus der eigenen Stadt gespült wurde. Denn auch bei vegetabiler Gerbung entstehen ätzende und stark riechende Abwässer, die heutzutage natürlich geklärt werden.
Zum Glück gibt es heute für Leder wie für andere Handelsgüter gesetzliche Grenzwerte, die den Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen schützen. Und die freiwilligen Selbstkontrollen vieler Hersteller sind oftmals sogar noch schärfer. (siehe Prüfzeichen) Da der Umwelt- und Gesundheitsschutz aber nicht in allen Teilen der Welt so weit fortgeschritten ist wie in der EU, lohnt es sich für den kritischen Verbraucher durchaus, beim Sofakauf darauf zu achten, wo das Leder gegerbt wurde. Verantwortungsvolle Händler und Hersteller geben hierüber stets gerne Auskunft.
Die Revolution – Chrom-Gerbung
Die Gerbung mit Mineralsalzen hat eine lange Tradition. Schon im alten Ägypten benutzte man den Alaunstein, um Häute haltbar zu machen. Die Alaunsalze wurden mittlerweile aber von Chromsalzen weitgehend verdrängt. Obwohl schon 1861 zum ersten Mal patentiert, brauchte das Chrom-Gerbverfahren aber noch lange Jahre bis zur echten Marktreife. Im 20. Jahrhundert jedoch trat es seinen Siegeszug an und wurde zur mit Abstand vorherrschenden Gerbmethode. Aktuell wird die Mehrzahl aller Leder mit der Chrom-Gerbung hergestellt. Die dabei zum Einsatz kommenden Chrom-III-Salze gelten als gesundheitlich unbedenklich – im Gegensatz zu den giftigen Chrom-IV-Salzen, die beim Gerben nicht verwendet werden dürfen.
Die Chromgerbung revolutionierte die gesamte Lederherstellung. Denn Chromgerbung geht viel schneller von statten als die Gerbung mit Alaun oder mit pflanzlichen Stoffen – und ermöglicht dadurch eine kostengünstigere Produktion, von der auch der Kunde profitiert. Außerdem lässt sich der Gerbvorgang besser steuern. So kann eine gleichbleibende Qualität des Endprodukts sichergestellt werden. Zudem eröffnete die Chromgerbung bis dahin ungeahnte Möglichkeiten zur Verbesserung der Gebrauchseigenschaften von Leder.
Alaungegerbte Leder etwa waren und sind im Gegensatz zu chromgegerbten nicht wasserbeständig. Der Kontakt mit Wasser führt vielmehr zur Herauslösung der Gerbstoffe.
Chromgegerbtes Leder hingegen ist abwisch- und teilweise sogar maschinenwaschbar. Außerdem konnten mit der Chromgerbung viel weichere Leder hergestellt werden, als dies vorher zum Beispiel mit vegetabiler Gerbung möglich war, deren Produkte zwar sehr dick und faserbeständig, aber weniger geschmeidig sind.
Die für ihre besondere Weichheit berühmten Nappaleder verdanken wir daher ursprünglich ausschließlich der Chromgerbung.
Erst durch die Entwicklung synthetischer, also chemisch hergestellter Gerbstoffe wurden in jüngster Zeit Gerbverfahren ohne Chromeinsatz möglich, die vergleichbar weiche Lederqualitäten erzeugen.
2 Kommentare
Super! Vielen Dank für diesen ausführlichen Artikel. Wir haben gerade das Thema „alte Handwerksberufe“ in der Schule. Ich klau mir mal ein paar Absätze. ?. LG Lina
Liebe Lina!
Schön, dass dir der Artikel gefällt. Melde dich gerne wenn du noch fragen hast.
Und: Lass dich nicht erwischen ?
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